Gut zu wissen
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Ein Plädoyer fürs Maulkorbtraining

Mittwochmorgen in der Tierarztpraxis. Ein mittelgrosser Hund, nennen wir ihn Wau, hat einen Termin zum Krallen schneiden.

«Nur» Krallen schneiden. Eigentlich keine grosse Geschichte.

Wäre da nicht das Problem, dass Wau aufgrund negativer Erfahrungen beim Krallen schneiden und beim Tierarzt furchtbare Angst hat und dementsprechend schon im Wartebereich sehr gestresst ist und aufgeregt hechelt.

Bald ist klar: Wau würde auch von seinen Zähnen Gebrauch machen, würde ich sein Warnen ignorieren und mich seinen Pfoten nähern.

Wir brauchen also einen Maulkorb.

Und damit stehen wir schon vor dem nächsten Problem: Wau mag sich keinen Maulkorb anziehen lassen. Beim Versuch, das Körbchen über die Schnauze zu legen, wehrt er sich standhaft und schnappt sogar nach seiner Besitzerin.

10 Minuten und viele Versuche später gelingt es dann doch, den Maulkorb anzulegen.

Schwierig zu sagen, wer gerade mehr Stress hat: Wau oder seine Besitzerin.

Das Krallen schneiden geht schnell. Innert weniger Minuten darf das Körbchen wieder vom Schnäuzchen und die Krallen sind akkurat gekürzt.

Die Protagonisten dieser Geschichte sind frei erfunden. Die Geschichte dahinter erleben wir so und ähnlich aber immer wieder.

Wie viel stressfreier wäre es doch, wenn die Hunde in entspannter Umgebung zu Hause ein positives Maulkorbtraining durchlaufen würden.

Für einen an den Maulkorb gewöhnten Hund, ist das Tragen desselben überhaupt kein Drama.

Er hat positiv ermittelt bekommen, dass es sich für ihn lohnt, seine Schnauze freiwillig in das Körbchen zu halten. In kleinen Schritten hat man ihm vermittelt, dass nichts Böses geschieht, wenn der Maulkorb angelegt wird. Und selbstverständlich wird er für seine Mitarbeit auch ordentlich belohnt.

Wie angenehm wäre es doch für Besitzer, Hund und Tierarzt, wenn dieser Ablauf, zu Hause mehrfach geübt und erprobt einfach ganz selbstverständlich funktionieren würde und der Stress sich dann «nur» noch auf die Behandlung an sich bezöge.

Ich könnte an dieser Stelle noch viel weiter gehen und mir wünschen, dass viel mehr Hunde ein gutes «Medical Training» erlernen würden. Es für sie selbstverständlich wäre, sich berühren zu lassen, auch von einer fremden Person. Dazu gehört auch, dass der Hund beigebracht kriegt, dass er eine Entscheidung treffen darf für oder gegen die Behandlung. Man nennt das «Kooperationssignal».

Er lernt also, dass er gar nicht die Zähne gebrauchen muss, sondern frei Schnauze mitteilen darf, wenn ihm etwas zu viel wird, und er nicht mehr in dieser Situation bleiben möchte.

Dann bräuchte es weniger Maulkörbe und es gäbe mehr Hunde, die im Vertrauen und entspannt zum Tierarzt kämen.

Zugegebenermassen erfordern diese Trainings Zeit, Geduld und das entsprechende Know How.

Man kann natürlich auch einfach hoffen, dass man nie oder doch zumindest so wenig wie möglich zum Tierarzt muss.

Aber wenn doch, ja dann hilft es eben ganz entscheidend, wenn man schon mal ein wenig für den Ernstfall trainiert hat.

Auch wenn hier vornehmlich von Hunden gesprochen wird. Natürlich kann man auch die Katze entsprechend für den Tierarztbesuch vorbereiten.

Oft genug ist das Katzenkörbchen in den Augen des Stubentigers das Vorzimmer zur Hölle, das signalisiert: gleich geht’s ab zum Tierarzt, gleich kommt etwas Unangenehmes auf mich zu.

Eine entsprechend positive Assoziation mit dem Katzenkorb kann durchaus antrainiert werden: Der Transportkorb wird nicht nur für den Tierarztbesuch aus dem Keller geholt, sondern steht auch sonst in der guten Stube. Die Katze wird auch mal in der Transportkiste gefüttert. Das Training kann sogar so weit gehen, dass man alle Schritte bis hin zur Autofahrt so kleinschrittig und positiv übt, dass zumindest der Transport bis zum Tierarzt selbstverständlich und stressfrei über die Bühne geht.